Wo ein Kläger…

… da ein Richter: Zins und Tilgung mindern Wohnvorteil

Rechtsanwalt Albin Schreiner, Fachanwalt für Familienrecht, Burglengenfeld

von Rechtsanwalt Albin Schreiner, Fachanwalt für Familienrecht, Burglengenfeld

In einem aktuellen Beschluss vom 09.03.2022 hat der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigt, dass auch beim Kindesunterhalt nicht nur Zins-, sondern auch Tilgungsleistungen des Unterhaltsschuldners berücksichtigt werden müssen, die der Unterhaltspflichtige zur Finanzierung einer selbst genutzten Immobilie erbringt (BGH Beschluss vom 9.3.2022 – XII ZB 233/21).

Kurz und bündig – was ist der „Wohnvorteil“?

Ein Unterhaltsschuldner mit höherem Einkommen muss mehr Unterhalt an seine Kinder zahlen als ein Unterhaltsschuldner mit geringerem Einkommen, das weiß abstrakt auch der juristische Laie.

In der sog. „Düsseldorfer Tabelle“, entwickelt vom Oberlandesgericht Düsseldorf (daher der Name), sind die konkreten Unterhaltsbeträge aufgelistet, die ein Unterhaltsschuldner, in der Regel also der Kindsvater, abhängig von seinem Einkommen an sein Kind bzw. seine Kinder zahlen muss.

Diese Tabelle geht jedoch – und das ist der Kern des Problems – von einem Unterhaltsschulder aus, der zur Miete wohnt und monatliche Ausgaben für die Miete hat.

Ein Unterhaltsschuldner, der keine Miete zahlen muss, bildet nach der Logik der Düsseldorfer Tabelle die Ausnahme und hat mehr Geld verfügbar, das er für seine Kinder aufwenden kann, da er eben keine Miete zahlen muss.

Um einen solchen Unterhaltsschuldner ebenfalls nach der Düsseldorfer Tabelle einstufen zu können, wird eine Art Wertkorrektur beim Einkommen des Unterhaltsschuldners vorgenommen: Auf sein tatsächlich erzieltes Einkommen wird der Wert addiert, den der Unterhaltsschuldner mehr verdienen müsste, damit er sich – alles hypothetisch – seine Wohnung (oder sein Haus) zur Miete leisten könnte.

Diese Wertkorrektur wird „Wohnvorteil“ genannt und orientiert sich an der theoretisch erzielbaren Miete für die tatsächlich nicht gemietete Wohnung (oder das Haus) des Unterhaltsschuldners.

Ein Beispiel zur Verdeutlichung

Ein Unterhaltsschuldner erzielt ein durchschnittliches tatsächliches Einkommen von seinem Arbeitgeber in Höhe von 3.500 Euro. Er lebt aber nicht in einer Mietwohnung, sondern in seinem Eigenheim, das er aufgrund der Lage und des Zuschnitts – rein theoretisch, denn er bewohnt es ja selbst – für 1.000 Euro anmieten oder vermieten könnte.

Er wird dann von den Gerichten so behandelt, als habe er Einkommen in Höhe von 4.500 Euro (3.500 Euro + 1.000 Euro). Dieser Wert wird dann in der Düsseldorfer Tabelle nachgeschlagen und ergibt einen bestimmten, natürlich höheren, Unterhaltsbetrag.

Vorsicht ist geboten

Das ganze kann für den Unterhaltsschuldner schnell zum „Bumerang“ werden, insbesondere dann, wenn es sich um größere Immobilien handelt, vielleicht das frühere Familienheim, für die der Unterhaltschuldner, wieder hypothetisch, auch viel Miete zahlen müsste.

Denn dem fiktiven Betrag, der auf sein Einkommen „on top“ als Wohnvorteil addiert wird, stehen keine realen Einnahmen gegenüber. Solche braucht der Unterhaltsschuldner aber, um seine Unterhaltsschuld auch erfüllen zu können.

Abgehakt: Zinsen abzugsfähig

Zu unterscheiden ist allerdings zwischen belasteten Immobilien und unbelasteten. Ist die Immobilie bereits vollständig abbezahlt, schlägt der Wohnvorteil mit voller Härte zulasten des Unterhaltsschuldners durch.
Ist die Immobilie dagegen belastet, ist unstreitig, dass der Unterhaltsschuldner zumindest die Zinsleistungen von seinem Wohnvorteil wieder in Abzug bringen darf. Sein Wohnvorteil reduziert sich damit um den Betrag der tatsächlich an die Bank gezahlten Zinsen.

Problem: Tilgungsleistungen

Streitig war bisher, ob der Unterhaltsschuldner beim Kindesunterhalt neben den Zinsleistungen auch die Tilgungsleistungen an die Bank von seinem Wohnvorteil in Abzug bringen darf und so seinen Wohnvorteil weiter reduzieren kann. Eine weit verbreitete Auffassung in der juristischen Literatur lehnte dies ab mit der Begründung, wer tilge, schaffe schließlich Stück für Stück Vermögen und es sei unbillig, wenn ein Unterhaltsschulder auf Kosten seiner Kinder Vermögen schaffen dürfe. Diese Meinung vertrat die Auffassung, dass neben den Zinsleistungen nicht auch noch die Tilgungsleistungen des Unterhaltsschuldners bei der Ermittlung des Wohnvorteils abgezogen werden durften.

Der BGH entscheidet pro Unterhaltsschuldner

Dieser Meinung hat der BGH in der eingangs erwähnten Entscheidung nun eine Absage erteilt: Auch Tilgungsleistungen sind bis zur Höhe des Wohnvorteils abzugsfähig. Der BGH stärkte damit die Position der Unterhaltsschuldner.

Aber nicht bis ins Extreme, denn eine Einschränkung nimmt auch der BGH vor:

Verbleibt nach Abzug von Zins und Tilgung ein Wohnvorteil, ist aber gleichwohl der Mindestunterhalt (niedrigster Unterhalt nach Düsseldorfer Tabelle) minderjähriger Kinder gefährdet, kann dem Unterhaltspflichtigen zwar nicht eine vollständige Aussetzung der Tilgung, wohl aber nach den Umständen des Einzelfalls ausnahmsweise eine Tilgungsstreckung zugemutet werden.

Dies kommt beispielsweise dann in Betracht, wenn eine besonders hohe Tilgung vereinbart wurde oder die Immobilie bereits weitgehend abbezahlt ist.